Beim Pre-Race Interview mit Papa Franz berichte ich wahrheitsgemäß von nur leichter Anspannung, da ich mit meinem zweiten Halbmarathon Start ohnehin schon als erfahrener Routinee gewertet werden kann. Dass mein Vater sich in ergiebigeren Trainingseinheiten vorbereitet hatte, wurde mir klar, als er beim Startschuss die Menschenmasse durchschoss und nur eine Staubwolke an seiner Stelle zurückblieb. Beim Überqueren der Reichsbrücke spielte es Meditationsmusik in meinen Kopfhörern, da die Überlastung der örtlichen Mobilfunkzelle das Streaming alternativer Playlists (wie etwa meiner minutiös vorbereitenden Lauf-Playlist) unterband.
Nach meiner ersten Fan-Interaktion mit Partnerin Steffi an KM2 verrinnen die Kilometer im Schatten der Prater Hauptallee wie Minuten im Sommerurlaub. Während andere Läufer:innen schon bei den Wasserhähnen Halt machen, führt mich mein Schritt wieder zielstrebig zurück Richtung Ring. Hier bemerke ich zum ersten Mal die Gewalt der Wärmestrahlung die mir von der Sonne zur Verfügung gestellt wird. Als mir auffällt dass mein Flüssigkeitsausstoß meine Flüssigkeitszufuhr von zwei Schluck wohl schon überstiegen hat, visiere ich die nächste Wasserstation an und greife nach einem Becher. Um die Zuschauermenge von meiner Coolheit zu überzeugen setze ich den Versuch eines Schlucks bei vollem Lauftempo an, wodurch ich nicht nur Luft schlucke, sondern auch Wasser einatme, welches ich dann, weniger cool, über Mund und Nase abhuste. Es geht Richtung Schönbrunn.
Ab KM 12 beginnt die Offenbarung meines Körpers an mich, dass der heutige Lauf anstrengender wird als üblich. Irgendwie schaffe ich es in diesem Moment nicht meine körperliche Erschöpfung auf den offensichtlichen Flüssigkeitsmangel zurückzuführen und beschuldige, zumindest teilweise berechtigt, meine laxe Laufroutine der letzten Wochen. Meine Trainungsläufe, wie auch mein letzter Halbmarathon, fanden bei bewölkten Himmel und frischen Temperaturen statt, sodass eine Flüssigkeitsaufnahme nie wirklich notwendig war. Irgendwann erreiche ich Schönbrunn und KM15. Mein Support Team bemüht sich vergebens um meine Aufmerksamkeit und ich laufe unbehelligt weiter. Die Zeit vergeht zunehmend langsamer und ich hoffe unentwegs die Kilometrierung übersehen zu haben, nur um wenig später eine unerfreulich geringe Anzahl an zurückgelegten Kilometer auf dem Schildchen zu erblicken.
Der Wille ins Gehen zu wechseln wird ab KM 18 allgegenwärtig und eine merkbare Beeinträchtigung meines Kreislaufs ist meiner Stimmung nicht gerade zuträglich. Mein Hände kribblen jetzt schon immer öfter. Trotzdem wird stur ein Fuß vor den anderen gesetzt. Gedanken an eine Zielbanane heben das Gemüt. Bei KM 20 ruft mir meine Mutter die Jubelschreie zu, die ich für das letzte Stückchen brauche. Eine Erhöhung meiner Laufgeschwindigkeit auf den letzten Metern wird von meinem Körper mit einem Krampf im linken Waden beantwortet. Ich lächle fürs Finisherfoto. Zielzeit: 02:15:08
Ich bin überglücklich ins Ziel gekommen zu sein, verneige mich angestrengt vor dem Medaillienausgabepersonal und lasse mich von dem Menschenstrom mitziehen. Einige Schlücke Gatorade später, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Vor einem ungezwungenen Testlauf vor ein paar Wochen, legte ich 20km entspannt in 2 Stunden zurück. Der vollkommen unvorbereitete Teilnehmer sieht wohl anders aus. Mein Grundsatz beim Laufen war es immer, die Sache an sich zu genießen und die Spezialsnacks, Gadgets und überoptimierten Trainingspläne etwas außen vor zu lassen. Rückblickend wäre es wohl besser gewesen einen Trainingslauf in der Sonne zu machen, in der Früh etwas zu frühstücken und während dem Wettkampf etwas zu trinken. So überoptimiert wäre das dann wohl doch nicht gewesen.
Halbmarathonläufer mit gern gelaufenen Kilometern und stark schwankender Trainingsfrequenz. Läuft für Bananen und die irrige Hoffnung, dass der nächste Hügel vielleicht doch flach ist.